Mischwald mit Buchenbestand

Der Wald östlich des städtischen Bauhofs Rosenhügel gehört nicht zu dem von Leberecht Migge geplanten Stadtpark. Nur ein schmaler Streifen mit Goldregen, Goldglöckchen, Schneeball, Erlen und Ahorn wurden damals am Rand des Hauptweges gepflanzt. Dahinter hatte Migge Kleingärten vorgesehen, die etwas weiter südlich tatsächlich angelegt wurden. Das heutige Waldgebiet war im Krieg Unterkunft für die Soldaten der Flak (Flugabwehrkanonen) und später für Flüchtlinge. Es war unter dem Namen „Lager Rosenhügel“ bekannt. Vermutlich wurden etliche der Bäume, die hier heute stehen, während des zweiten Weltkrieges gepflanzt, damit die Flak-Stellung aus der Luft nicht leicht ausgemacht werden konnte. Andere Bäume werden sich selbst angesiedelt haben, sodass hier ein artenreicher Mischwald entstanden ist. Dazu gehört auch ein Buchenbestand.

Buchen

Wurt

Etwa 350 Meter vom Weg zum Rosenhügel entfernt, zweigt vom Hauptweg ein Spazierweg nach Süden ab. Gleich auf der rechten Seite war bei Anlage des Stadtparks noch eine bewohnte Wurt. Sie trug genauso wie der Hof von Bauer Tjarks, der 150 Meter weiter nördlich lag, den Namen Wiemkerei. Wann das Gebäude abgerissen wurde, ist nicht bekannt. 2001 stand es jedenfalls nicht mehr (Quelle Rainer Halpaap 2001, S. 190). Wenn man genau hinguckt, kann man ahnen, wo die Wurt liegt.

Mit nur 70 Zentimetern kann man den Höhenunterschied kaum erkennen. Nur wenn man wenige Schritte in den Wald geht, fühlt man die Erhöhung mit den Füßen. Zwei Dinge kann man auch vom Weg aus erkennen: Links und rechts gibt es je einen Graben, der die Wurt einst umschlossen haben. Die Fläche der Wurt ist mit deutlich jüngeren Bäumen bestanden als die umgebende Fläche. Nur direkt am Wegesrand – vermutlich früher neben der Einfahrt, steht eine große Eiche.

An den Gräben und den jungen Bäumen kann man die Wurt erahnen

Wald westlich des Weges

Folgt man dem Weg weiter, befand sich rechts vom Weg ein „Vogelschutzgehölz“. Aus was für Bäumen und Sträuchern sich das zusammengesetzt hat, ist von dem Lehrer Harms, der den Stadtpark beschrieben hat, nicht ausgeführt. Nach den Plänen von Migge sollten hier 100 Robinien, 100 Pflaumenblättriger Weißdorn und 200 Scharlach-Weißdorn, 100 Holunder, 200 Berberitzen, 200 Haselnuss, 300 Wildrosen, 200 Schlehen, 100 Gleditschien oder Lederhülsenbüsche gepflanzt werden. Das sind 1.700 Büsche auf gerade mal 3.200 Quadratmeter Fläche. Das sind dann pro Pflanze weniger als ein Quadratmeter. Obwohl die meisten der Arten auch in der Natur zusammen vorkommen, konnten sie sich auf Dauer nicht halten. Auch von den 100 Veitchs Tannen (Abies veitchii), die in einem Quadrat angepflanzt vom Weg umschlossen waren, hat sich keine einzige Pflanze bis heute halten. 

Heute steht auf der rechten Seite ein kleiner Bestand an Buchen. Auffällig sind die geraden Stämme mit der glatten Borke. Es ist typisch für einen Buchenwald, dass unter den Bäumen wenig wächst. Sträucher und Kräuter finden nicht genügend Licht unter dem dichten Laubdach der Buchen. Anders sieht es im Frühjahr aus. Buchen treiben relativ spät aus. Das gibt Frühjahrsblühern die Chance, das Licht zu nutzen, dass durch die kahlen Buchen den Boden erreicht. 

Weinbergschnecke

Mit etwas Glück kann man hier Weinbergschnecken entdecken. Es ist mit einem Durchmesser von 3 bis 5 Zentimetern die größte heimische Landschnecke. Diese Schnecke liebt kalkhaltige Böden mit Gehölzen und Hochstauden. In der Marsch kann sie sich also durchaus wohl fühlen. Trotzdem kommt sie bei uns an der Küste natürlicherweise nicht vor. Um einzuwandern hätte sie die Geest auf der ostfriesischen Halbinsel überqueren müssen. Die dort vorherrschenden trockenen, sandigen Böden meidet sie aber. 

Weinbergschnecke, Foto: Röbbelen

So ist es Menschen zu verdanken, dass die Weinbergschnecke im Stadtpark vorkommt. Zunächst waren es vermutlich Mönche, die die Schnecke importierten. Da es sich bei diesen Tieren weder um Fleisch noch um Fisch handelt, waren Weinbergschnecken eine beliebte Fastenspeise. Von 1200 bis 1596 gab es bei Oestringfelde ein Kloster. Heute ist Oestringfelde auf dem Gemeindegebiet von Schortens und auf dem Gelände befindet sich das RUZ (Regionales Umweltzentrum). In dem Klosterpark kommen auch heute noch Weinbergschnecken vor. Von dort soll der Lehrer Harms in den 1930er Jahren einige Exemplare eingesammelt und im Stadtpark ausgesetzt haben. Hier haben sie sich bis heute gehalten.

Mittelspecht

Der artenreiche Baumbestand beherbergt noch ein besonders Tier: Den Mittelspecht. Anders als der häufigere Buntspecht macht diese Art nicht durch lauten Trommelwirbel oder häufige Rufe auf sich aufmerksam. Nur durch Zufallsbeobachtungen an Futterstellen und im Wald wurde man auf ihn aufmerksam. Tatsächlich gelang es Klaus Börgmann vom Naturschutzbund durch gezielte Suche, den Mittelspecht als Brutvogel im Stadtpark nachzuweisen. Diese Spechtart braucht mittelalten bis alten, artenreichen Baumbestand mit Bäumen, die eine grobrissige Rinde besitzen. Im Stadtpark sind es vor allen Dingen Spitzahorn, Stieleiche und Esche, die diese Bedingung erfüllen. Wichtig ist auch stehendes Totholz, da der Mittelspecht hier Nahrung findet.

Der Mittelspecht erkennt man an seinem hellen „Gesicht“ Foto: Richard Tank

Eschentriebsterben

Seit Ende des 20. Jahrhunderts breitet sich in Europa ein Pilz aus, der ursprünglich in Japan beheimatet war. Er heißt Falsches Weißes Stengelbecherchen (Hymenoscyphus pseudoalbidus). Von Juni bis September kann man die nur wenige Millimeter großen, weißen Fruchtkörper dieses Pilzes an Blattstängeln des Vorjahres (korrekter: an Blattspindeln) am Boden finden.

Viele Eschen im Stadtpark sind erkrankt, sie sind nur schütter belaubt

Dieser Pilz besiedelt die Blätter der Esche und führt dazu, dass sie vorzeitig welken. In der Folge wird deren Krone immer lichter. Um den Blattverlust zu kompensieren, bilden diese Eschen oft zahlreche Ersatzzweige. Das Erscheinungsbild der Krone ändert sich dadurch. Durch den Befall werden die Altbäume geschwächt und sind in der Folge anfälliger für andere Schadorganismen wie den holzzersetzenden Pilz Hallimasch und für witterungsbedingte Stressereignisse.

Nach und nach bringt der Pilz die Eschen zum Absterben. Besteht die Gefahr, dass abgestorbene Äste oder ganze Bäume auf einen Weg fallen, muss die zuständige Abteilung der Technischen Betriebe die Eschen entfernen, denn sie sind für die Verkehrssicherheit zuständig. Da die Esche ein wichtiger Baum für den Mittelspecht ist, kann man nur hoffen, dass genügend Exemplare von dieser Baumart langfristig überleben.

Es gibt Bäume, die eine Infektion mit dem Falschen Weißen Stengelbecherchen überstehen. Sie sind wertvoll, denn sie können diese Widerstandsfähigkeit an ihre Nachkommen weitergeben. Langfristig kann diese dazu führen, dass Esche und Pilz nebeneinander leben können, ohne sich zu schaden. Dies ist im Ursprungsland des Falschen Weißen Stengelbecherchen der Fall.